Herausforderndes SchülerInnenverhalten zielführend und gesund managen
Der Lehrerberuf fordert nicht nur fachliche Kompetenz, sondern auch ausgeprägte zwischenmenschliche Fähigkeiten. Insbesondere herausforderndes Schülerinnenverhalten kann den Stresspegel erheblich erhöhen und dadurch die Gesundheit von Lehrkräften auf Dauer belasten. Umso wichtiger ist es, in diesem Bereich Strategien zur Stressprävention zu kennen und anzuwenden.
In diesem Artikel möchten wir aufzeigen, wie durch eine respektvolle Beziehungsgestaltung und gesunde Kommunikationsstrategien schwierige Situationen im Klassenzimmer besser zu meistern sind.
Eine Beziehung auf Augenhöhe schaffen
Eine Beziehung auf Augenhöhe mit SchülerInnen aufzubauen bedeutet im ersten Schritt, die Meinungen, Bedürfnisse und Gefühle der Kinder und Jugendlichen anzuerkennen und zu respektieren. Dies fällt uns immer dann leicht, wenn es sich um angenehme gute Gefühle handelt. Wenn SchülerInnen das System oder den Stoff oder gar uns als Lehrperson in Frage stellen und uns herausfordern, wird ein Anerkennen und Respektieren ihrer Haltungen und ihres Verhaltens schon schwieriger. Fühlen wir uns doch im Recht, fühlen wir uns doch gestört, fühlen wir uns also dazu genötigt, auf etwas von uns Unerwünschtes zu reagieren.
Eine hilfreiche Strategie kann es sein, in diesen Momenten nicht direkt in die Konfrontation zu gehen, sondern zu versuchen, die eigene Reaktion, die aufsteigenden Gefühle, die das unerwünschte Verhalten auslösen, zu betrachten.
Das ist leichter gesagt als getan, denn natürlich gibt es nicht nur dich als Lehrperson und den/die vermeintlichen “störenden” SchülerIn im Raum, sondern eine ganze Gruppe reagiert auf das unerwünschte Verhalten. Explosive Stimmung und du bleibst ganz bei dir? Das klingt erstmal unrealistisch. Und trotzdem kann dies ein erster hilfreicher Schritt sein, zu hinterfragen, warum und wie ein Verhalten oder eine Äußerung das eigene System reagieren lässt. Damit gibst du dir die Chance, deine eigene Reaktion in Zukunft klarer steuern zu können und weniger im Affekt zu reagieren. Der gute Nebeneffekt: dein Stresspegel bleibt weiter unten, da das Gefühl von Kontrollverlust und Ohnmacht geringer ausfällt.
Ein nächster Schritt wäre sodann, den “guten Grund” hinter dem unerwünschten SchülerInnen Verhalten herauszufinden. Auch dies muss wiederum nicht in einer akuten Situation geschehen. Jedoch bringen die Antworten, warum ein Schüler oder eine Schülerin durch herausforderndes Verhalten auffallen möchte, häufig Ideen zu neuen Wegen und ggf. sogar zu gemeinsamen Lösungsansätzen. Der Versuch, SchülerInnen immer wieder als gleichwürdige Individuen zu betrachten, ist im stressigen, zeitknappen Schulalltag eine der größten Herausforderungen. Diese Anstrengung lohnt sich jedoch, da eben nur durch die Signalisierung unsererseits “Ich interessiere mich für dich! “ ein positives, vertrauensvolles Klassenklima entstehen kann. Dies wiederum ist die Grundlage für eine positive Zusammenarbeit. Verständnis für einen Schüler oder eine Schülerin aufzubringen heißt im Übrigen nicht, das unerwünschte Verhalten gut zu heißen oder zu akzeptieren. Es geht ums reine Verstehen, denn nur so können Probleme angesprochen und gelöst werden.
Zusammenarbeit zu fördern und Partizipation zu ermöglichen, ist ein weiterer Schritt, der herausforderndem SchülerInnenverhalten entgegenwirken kann. Wenn SuS erfahren, dass sie Schule mitgestalten können, ihre Meinung gefragt ist und es Handlungsfelder gibt, in denen sie selbstwirksam und eigenverantwortlich agieren können, fördert dies ein gutes Schulklima. In der Praxis kann das bedeuten, SchülerInnen in möglichst viele Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Ob es um die Sitzordnung geht oder um Regeln, die im Klassenzimmer gelten sollen – die “Manpower” von Schülern und SchülerInnen zu nutzen, birgt ein riesiges Potential, welches im Moment noch zu häufig ungenutzt vor sich hin schlummert. Gegenseitiges Vertrauen ist häufig noch schwierig. Schule mit den SchülerInnen gemeinsam zu gestalten, stärkt jedoch das Wir-Gefühl und viele SuS, die gemeinhin als “schwierig” gelten, können gerade in solchen Situationen ihr Können und Wissen einbringen.
Empathie und gute Kommunikation: Der Schlüssel zum Erfolg
Jede Lehrkraft kennt diese Momente, in denen SuS sich in anderen Settings, außerhalb des normalen Unterrichts, auf einmal vollkommen anders verhalten. Diese Momente dürfen genutzt werden, um bestenfalls Situationen zu schaffen, in denen Gespräche möglich sind, um wiederum die Gründe für herausforderndes Verhalten besser zu verstehen. Nicht selten stecken hinter auffälligem Verhalten, Missverständnisse oder auch unklare Erwartungen von Seiten der Lehrkräfte oder ganz allgemein des Systems Schule, die SchülerInnen unsicher werden lassen.
Eine offene und klare Kommunikation ist daher oftmals zielführend. Was erwartest du als Lehrkraft? Was erwartet der Schüler, die Schülerin? Diese Erwartungen deutlich zu formulieren und gleichzeitig zuzuhören, was SchülerInnen zu sagen haben, ist in vielen Fällen erstaunlich aufschlussreich. Aktives Zuhören, also wirklich zuzuhören, das Gehörte zu reflektieren und den SchülerInnen Verständnis zu signalisieren – schafft Vertrauen und Offenheit.
Konstruktiv mit Konflikten umgehen
Und trotzdem gehören Konflikte zum Schulalltag dazu. Konfliktfreies Miteinander gab es vielleicht in den Schaustunden im Referendariat. Eine Schule ohne Konflikte und herausfordernden SchülerInnen ist jedoch eine Utopie. Diese Erkenntnis kann alleine schon so manche Lehrkraft enorm entspannen. Störungen sind normal. Daher ist es so enorm förderlich, ein breit gefächertes Strategienpaket für herausforderndes Verhalten zu besitzen.
Die so genannte “gewaltfreie Kommunikation” kann dabei ein weiteres wertvolles Werkzeug sein. Sie besteht aus vier Schritten: neutral beobachten, die eigenen Gefühle benennen, die eigenen Bedürfnisse erkennen und eine konkrete Bitte formulieren. Diese Methode hilft, Vorwürfe zu vermeiden und stattdessen Lösungen zu finden, die für alle Beteiligten akzeptabel sind.
Verantwortung übernehmen und Grenzen setzen
Nicht unerheblicher ist desweiteren die Erkenntnis, dass zu einem Konflikt immer mindestens zwei Parteien gehören. Du bist damit, häufig ungewollt oder systemisch bedingt, Teil des Konflikts. Die Situation kann damit in vielen Fällen nicht spurlos an dir vorüber gehen, sondern sie “macht etwas mit dir”. Neben den schon angesprochenen Handlungsmöglichkeiten, ist es daher gerade für Konfliktsituationen hilfreich, eigene Bedürfnisse und Grenzen zu kennen. In stressigen Situationen geschieht es leicht, sich selbst zu vernachlässigen, was langfristig zu Erschöpfung und großer Unzufriedenheit führen kann.
Nach einem wirklich stressigen oder konfliktgeladenen Tag, den jede Lehrkraft immer wieder erleben wird, dürfen sich LehrerInnen unbedingt die Erlaubnis zur Erholung geben, egal wie voll der Schreibtisch noch ist. Gesunde Grenzen zu setzen, ist im Lehrerberuf unerlässlich, denn ruhig und besonnen mit den vielfältigen Herausforderungen eines Schultages umzugehen, klappt immer noch am besten.
Praktische Tipps für herausfordernde Situationen:
- Aktives Zuhören und Verständnis: Schafft eine vertrauensvolle Atmosphäre, indem ihr euren SchülerInnen aktiv zuhört und ihre Bedürfnisse ernst nehmt. So lassen sich Missverständnisse vermeiden und Konflikte frühzeitig erkennen.
- Gemeinsame Ziele und Visionen: Setzt euch gemeinsam mit euren SchülerInnen kleine und große Ziele für das Schuljahr. Das stärkt das Gemeinschaftsgefühl und gibt den SuS eine klare Orientierung.
- Eigenverantwortung übernehmen: Reflektiert regelmäßig euer eigenes Verhalten und eure Reaktionen auf schwierige Situationen. Übernehmt Verantwortung für eure Gefühle und handelt entsprechend.
- Grenzen setzen: Sprecht und diskutiert Grenzen oder Regeln, die gelten sollen gemeinsam mit den SchülerInnen. Grenzen und Regeln werden eher eingehalten, wenn SuS beteiligt sind.
- Zeit für sich selbst: Plant regelmäßige Pausen und Zeit für euch ein. Nutzt diese Zeit zur Erholung und zum Auftanken.
- Kollegiale Unterstützung: Sucht den Austausch mit KollegInnen und nutzt deren Erfahrungen und Ratschläge. Eine starke kollegiale Gemeinschaft kann eine wertvolle Unterstützung sein. Sucht außerdem nach Informationen und Gleichgesinnten außerhalb der eigenen Schule.
Fazit
Der Umgang mit herausforderndem SchülerInnenverhalten ist eine der zentralen Herausforderungen im Lehrerberuf. Eine Beziehung auf Augenhöhe, empathische Kommunikation und ein konstruktiver Umgang mit Konflikten kann den entstehenden Stress reduzieren. Das Wissen und die Anwendung verschiedener Strategien ist hilfreich. Trotzdem bleiben Lehrkräfte eine der “Konfliktparteien”. Das ist und bleibt anstrengend, daher sind Erholung und Pausen gerade nach anstrengenden Schultagen von großer Wichtigkeit, um langfristig gesund und leistungsfähig zu bleiben.